In Deutschland regelt die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) den anzuwendenden Höchst- und Mindestsatz für die erbrachten Leistungen und Leistungsbilder. Doch damit ist jetzt Schluss. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese verbindliche Regelung der Sätze für rechtswidrig in der EU erklärt und gekippt.
Doch was bedeutet das für die betroffene Baubranche in Deutschland? Und wie reagiert die Bundesregierung nun? Viele Architekten und Ingenieure fürchten ein massives Preisdumping von Seiten der Auftraggeber. Ist das realistisch?
Wir informieren Sie über den Stand der Dinge und sagen Ihnen, ob Sie sich für einen härteren Wettbewerb rüsten sollten.
HOAI gekippt? Wie konnte es soweit kommen?
Grundsätzlich gilt, dass sich in einem freien europäischen Binnenmarkt der Wettbewerb auch über den Preis entschiedet. Das besagt u.a. die Dienstleistungsrichtlinie. Diese Richtlinie gilt allerdings nur, solange nicht höherwertige Güter wie Leben oder Gesundheit gefährdet sind.
Genau hier setzt die HOAI 2013 an: Die Bundesregierung hat sie als qualitätssichernde Regelung eingeführt, um einen berufsethischen Standard zum Schutz der Baukultur und damit letztlich zum Schutz der Menschen zu schaffen.
HOAI gekippt: Wo sieht der EuGH das Problem?
Zuallerst: Der Europäische Gerichtshof hat sich nicht gegen die komplette HOAI ausgesprochen. Vielmehr kippt er „nur“ die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI und erklärte am 4. Juli 2019 die Verbindlichkeit dieser Regelung für rechtswidrig.
Das vollständige Urteil inklusive Begründung des EuGH können Sie hier nachlesen.
Wenn Sie mehr über das Vertragsverletzungsverfahren gegen die HOAI erfahren möchten, lesen Sie dazu unseren Blogbeitrag vom März. Dort haben wir bereits über die Hintergründe berichtet.
HOAI gekippt, weil sie nichtdeutsche EU-Bürger*innen benachteiligt?
Nach Ansicht der Europäischen Kommission greift die HOAI in unzulässiger Weise in die Niederlassungsfreiheit auf dem europäischen Binnenmarkt ein. Dadurch sei nichtdeutschen EU-Angehörigen ein gerechter Zugang zum deutschen Markt nicht möglich.
Natürlich steht es jedem EU-Angehörigen frei, seinen Sitz nach Deutschland zu verlegen. Doch wegen der HOAI-Mindestsätze könnte er seine Leistungen nicht billiger anbieten als die bereits etablierte Konkurrenz. Auch dürfte er keine höherwertigen Leistungen anbieten als die Höchstsätze der Honorarverordnung vorgeben. Beides wäre aber nötig, um sich auf dem deutschen Markt zu etablieren.
Dieser Argumentation der EU-Kommission stimmt der EuGH aber nicht zu und sah den Vorwurf der Diskriminierung als nicht gegeben an.
Warum hat der EuGH die Regelungssätze der HOAI dann gekippt?
Der Europäische Gerichtshof kritisiert, dass eine nationale Regelung nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie das von ihr angestrebte Ziel auch erreiche.
Was genau ist dieses angestrebte Ziel? Die HOAI soll letztlich eine „hohe Qualität der Planungsleistungen gewährleisten“ und zwar „in kohärenter und systematischer Weise“.
Hier liegt für den EuGH das Problem:
Die Erbringung von Planungsleistungen ist selbst in Deutschland nicht ausschließlich Personen vorbehalten sei, die eine reglementierte Tätigkeit ausübten. Damit gebe es keine Garantie, dass die Planungsleistungen von Dienstleistungserbringern erbracht werden, die ihre entsprechende fachliche Eignung nachgewiesen haben.
Vereinfacht gesagt: Weil in Deutschland nicht nur Architekten und Ingenieure, sondern bspw. auch Bauzeichner Planungsleistungen erbringen dürfen, kann die HOAI ihr Ziel einer hohen Planungsqualität nicht gewährleisten. Und damit ist eine verbindliche Regelung der Mindest- und Höchstsätze ungültig.
HOAI Mindest- und Höchstsätze gekippt: Und wie geht es jetzt weiter?
Nun ist die Bundesregierung am Zug. Bundesarchitektenkammer, Bundesingenieurkammer und andere Verbände drängen auf eine baldige gesetzliche Neuregelung, um zumindest unverbindliche Preisstandards auf Grundlage der HOAI festzulegen. Das notwendige Gesetzgebungsverfahren braucht allerdings Zeit. Mit mehreren Monaten ist hier realistischerweise zu rechnen.
HOAI Mindest- und Höchstsätze gekippt: Wie könnte eine Neuregelung aussehen?
Denkbar wäre eine ähnliche Regelung wie sie bspw. für Steuerberater*innen in Deutschland gilt: Statt eines Mindestsatzes geht man von einem Regelsatz aus kombiniert diesen mit einem Angemessenheitsvorbehalt im Hinblick auf die zu erbringende Leistung.
Dazu erklärte der Präsident der Bundesingenieurkammer:
„Natürlich ist das Modell kein vollwertiger Ersatz für die Mindestsätze. Aber es könnte helfen, Preisdumping, das am Ende allen schadet, zu verhindern. Denn eins ist ganz klar: Qualität hat ihren Preis. Wer beim Planen spart, zahlt hinterher beim Bauen drauf!“
HOAI Mindest- und Höchstsätze gekippt: Worauf sollten Sie sich einstellen?
Machen Sie sich besser auf ein kommendes Preisdumping gefasst. Einige Bauherrn werden die Chance nutzen, um planerische Kosten zu drücken. Bleiben Sie professionell und treten Sie mit gesundem Selbstbewusstsein für eine für beide Seiten faire Preisgestaltung ein. Machen Sie diese so transparent wie möglich, um Ihr Gegenüber zu überzeugen.
Als Planer können Sie schließlich auf Grundlage Ihrer jahrelangen Erfahrungen auch künftige Projekte in Umfang und Kosten abschätzen. Auch ohne die Mindest- und Höchstsätze der HOAI. Wenn Sie darüber hinaus noch über solide Kennzahlen auf Basis einer Projektmanagement- oder Controlling-Software verfügen, umso besser.
Wir halten Sie auf dem Laufenden in Sachen weitere Entwicklung zur HOAI und Folgen für Ihr Tagesgeschäft.
HOAI Mindest- und Höchstsätze gekippt: Mit KOBOLD Control kein Problem
Auch wenn der EuGH die Mindest- und Höchstsätze der HOAI gekippt hat, ist das nicht das Ende der HOAI. Die meisten Regelungen bleiben von der Entscheidung unberührt, insbesondere die Leistungsbilder und die Regelungen zur Ermittlung des Honorars.
KOBOLD CONTROL hilft Ihnen bei einem fundiertem Projektmanagement und Controlling auf Grundlage der geltenden Regelungen der HOAI. Darüber hinaus bietet Ihnen die Software auch alle Möglichkeiten für eine wirtschaftliche Projektkalkulation. Auch unabhängig von Mindest- und Höchstsätzen.