Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Juli 2019 die verbindliche Regelung der Mindest- und Höchstsätze der HOAI gekippt. Das EuGH-Urteil stuft diese Regelungen der HOAI als nicht mit dem europäischen Gesetz vereinbar ein.
Was bedeutet das für die betroffene Baubranche in Deutschland? Welche Folgen hat dieses Urteil auf zukünftige Vertragsvereinbarungen zwischen Planungsbüro und Bauherrn?
Wir erläutern, worauf Sie als Architekt oder Ingenieur bei künftigen Vertragsgestaltungen achten müssen. Damit Sie Ihre Honorarkalkulation rechtskonform gestalten und Ihre Verhandlungsstrategie entsprechend ändern können.
EuGH-Urteil zur HOAI: Was sind die Hintergründe?
Über die Entwicklung und Hintergründe zum EuGH-Urteil zur HOAI haben wir bereits an anderer Stelle berichtet. Lesen Sie die Details dazu in diesem Blogbeitrag nach.
Nach EuGH-Urteil Vertragsgestaltung auf Grundlage der HOAI noch möglich?
Ja, auch trotz des Urteils durch den Europäischen Gerichtshof ist eine Vertragsanbahnung und Vereinbarung auf Basis der HOAI noch möglich. Denn das
EuGH-Urteil ändert nichts daran, dass in Deutschland Verträge auf dem Grundsatz der Privatautonomie fußen.
Dank dieser sog. Vertragsfreiheit können die Vertragsparteien, also Bauherr und Planer, vertraglich festlegen, dass sich die Vergütung für die Grundleistungen an den Mindestsätzen der HOAI 2013 orientieren soll. Solange sich die Vertragsparteien ohne Zwang darauf verständigen, gelten die Regelungen der HOAI inklusive Mindestsätze in Form einer privatrechtlichen Vereinbarung.
Das EuGH-Urteil zur HOAI hat schließlich nicht die komplette Honorarordnung für Architekten und Ingenieure gekippt, sondern nur die Verbindlichkeit der Höchst- und Mindestsätze. Wenn sich Bauherr und Planungsbüro aber freiwillig darauf verständigen, gibt es kein Problem mit dem EU-Recht.
Privatrechtliche Vertragsklausel trotz EuGH-Urteil zur HOAI gültig
Wenn Sie diesen Weg nutzen wollen, verfassen Sie eine zusätzliche Vertragsklausel. Sinngemäß müssen Sie darin festlegen, dass die HOAI 2013 mit den darin geregelten Höchst- und Mindestsätzen die Grundlage bildet für die Honorarberechnung in diesem Vertrag. Bedenken Sie, dass sich diese Reglungssätze nur auf die Grundleistungen in den verschiedenen Leistungsbildern und Leistungsphasen beziehen. Die Kalkulation der Besonderen Leistungen ist durch die HOAI nicht geregelt. Hier gilt nach wie vor eine freie bzw. zeitbasierte Honorarermittlung.
Welche Chancen Sie bei der Kalkulation von Besonderen Leistungen nutzen können, haben wir in diesem Blogbeitrag für Sie zusammengestellt.
EuGH-Urteil zur HOAI: Zukünftig werden Zeithonorare noch interessanter
Durch das EuGH-Urteil zur HOAI können Architekten und Ingenieure mit den Bauherrn auch vereinbaren, dass die zu erbringenden Planungs- und Überwachungsleistungen zeitbasiert berechnet werden. Egal, ob auf Stunden- oder Tagesbasis.
Hierbei müssen Sie dann auch nicht zwischen Grundleistungen und Besonderen Leistungen differenzieren, da Sie diese honorartechnisch nicht mehr anders behandeln wie noch in der HOAI 2013. Eine konkrete Benennung der einzelnen Leistungsinhalte im Planungsvertrag ist natürlich sinnvoll.
Wie Sie bei zeitbasierter Honorarermittlung am besten vorgehen
Am besten ist es, wenn Sie alle einzelnen Arbeitsschritte benennen und die Erfüllung dieser Einzelleistungen immer eng mit dem Bauherrn abstimmen. So lässt sich vermeiden, dass der Bauherr nachher nicht sagen kann, dass er von bestimmten Einzelleistungen im Rahmen des Zeithonorars keine Kenntnis hatte. Geschweige denn dazu einen Auftrag erteilt hätte.
Selbst bei Planungsänderungen können Sie Zeithonorare problemlos verwenden. Vorausgesetzt, Sie haben eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag getroffen.
Zeithonorare brauchen viel Transparenz und permanente Kommunikationsprozesse. Eine gute Portion Vertrauen auf beiden Seiten kann auch nicht schaden.
Vorsicht vor Pauschalhonorarvereinbarungen: Zu viel Risiko
Eine weitere Möglichkeit der Honorarkalkulation für Architekten und Ingenieure auch nach dem EuGH-Urteil zur HOAI sind Pauschalhonorarvereinbarungen. Für den Auftraggeber sind diese immer sehr attraktiv. Bieten Sie doch Kostensicherheit und größtmögliche Transparenz.
Erfahrungsgemäß ziehen dabei aber in vielen Fällen die Planer den Kürzeren. Immer dann, wenn es zu unerwarteten (Zusatz)Leistungen kommt. Das ist besonders bei komplexen Bauprojekten der Fall oder aber bei solchen, wo zu Beginn nicht alle notwendigen Informationen zur Verfügung standen. So laufen Sie bspw. Gefahr, dass eine Vereinbarung mit der Regelung „alle erforderlichen Leistungen“ im Ergebnis deutlich mehr Leistungen beinhalten kann, als das, was Sie bei der Festlegung der Pauschale kalkuliert haben. Denn das ist letztlich eine Sache der Vertragsauslegung.
Deswegen möchten wir Ihnen grundsätzlich von Pauschalhonorarvereinbarungen abraten: Sie sind einfach zu risikoreich für Planer!
Nach dem EuGH-Urteil zur HOAI besser Teilpauschalen mit Zeithonoraren kombinieren
Viele Bauherrn lehnen reine Zeithonorarkalkulationen grundsätzlich ab, da Sie deren Höhe nicht gut überschauen können und zu hohe Endkosten befürchten. Gerade auch, wenn die Bauherren mit Ihnen als Architekt oder Ingenieur noch keine Erfahrungen gemacht haben, sind Zeithonorare eine schwierige Verhandlungsbasis.
Um dem zu begegnen, können Sie Zeithonorare mit Teilpauschalen kombinieren. Dabei wählen Sie Teilpauschalen für solche Teilleistungen, deren Honorar für Sie sicher zu kalkulieren ist. Damit begrenzen Sie für Ihren Auftraggeber die Gefahr unabsehbarer Zeitkontingente und entsprechender Kosten. Sie schaffen mehr Transparenz und sorgen für mehr Vertrauen.
Fazit: Trotz EuGH-Urteil zur HOAI haben Sie noch alle Möglichkeiten
Durch das EuGH-Urteil zur HOAI hat sich einiges geändert. Dennoch bleiben Ihnen als Planungsbüro viele Möglichkeiten zur Honorarkalkulation. Eine privatrechtliche Vereinbarung auf Basis der HOAI 2013 oder auch Zeithonorare – mit oder ohne Teilpauschalen – sind vielversprechende Lösungswege.
Es bleibt abzuwarten, wie sich eine gesetzliche Umsetzung des EuGH-Urteils in Deutschland langfristig niederschlägt. Auch die Frage, welche Rolle die HOAI zukünftig noch bei öffentlichen Vergabeverfahren spielen wird, bleibt spannend.
Wir halten Sie auf dem Laufenden…
EuGH-Urteil zur HOAI: Für die KOBOLD Honorarermittlung kein Problem
Auch wenn das EuGH-Urteil die Mindest- und Höchstsätze der HOAI gekippt hat, ist das nicht das Ende der Honorarverordnung für Architekten und Ingenieure. Die meisten Regelungen bleiben vom EuGH-Urteil unberührt, insbesondere die Leistungsbilder und Leistungsphasen.
KOBOLD CONTROL hilft Ihnen bei einem fundiertem Projektmanagement und Controlling auf Grundlage der geltenden Regelungen der HOAI. Darüber hinaus bietet Ihnen die Software aber auch alle oben genannten Möglichkeiten für freie Kalkulation auf Zeitbasis oder mit Teilpauschalen.